Dub:versiv Soundsystem, Potsdam


Dieses Soundsystem-Interview ist ein Teil einer Reihe. Weitere Interviews findest du fortan in unserer Kategorie Soundsystem Culture.


Dub:versiv Soundsystem

Das Dub:versiv Soundsystem aus Potsdam existiert gerade mal seit drei Jahren, ist dafür aber schon mächtig aktiv. In diesem Jahr wurde am 22.6. bereits das zweite Dubversiv Soundsystem Festival im Freiland, Postdam, gefeiert. Die Crew des Sounds definiert sich dabei als Kollektiv und stellt viel auf die Beine. Wirklich beachtlich. Zudem besitzt das Kollektiv einen der schönsten Stacks im Land. Alles Gründe, um von unserer Seite aus mit ein paar Fragen um die Ecke zu kommen. 

Seit wann existiert euer Soundsystem und wo wart ihr bislang aktiv? Habt ihr reguläre Dances, womöglich in einer Homebase?

Das Dub:versiv Soundsystem existiert seit 2021. Gegründet wurde es durch MZkool (Martin) und Madman Jackpot (Johannes) / JOEone (Daniel) vom Badda Boom FYAH! Sound. Badda Boom spielt seit über zwanzig Jahren Reggae Dancehall Soca und alles dazwischen und außerhalb in Potsdam. Gemeinsam wurden bereits seit 2019 Veranstaltungen gemacht bis Corona alles stoppte. In der Zeit kam Martin mit der Idee zu Johannes, ein Soundsytem zu bauen. Dieser hatte bereits Erfahrungen im Boxenbau und Tontechnik. Und so starte 2021 aus der Idee das Dub:versiv Soundsystem. Martin ist mit Micha nach Bayern gefahren und hat vom DubRise Soundsystem sechs Scoops und sechs Kicks abgekauft. Diese wurde überarbeitet. Dann wurde die Anlage im Baukastensystem um zwei Scoops, vier Hörner und zwei Tweeter erweitert. Alles in liebevoller Handarbeit in der Werkstatt von Carl. Nebenbei erschuf Johannes den Tower und die gesamte Kabelstruktur zur Anlage in Heimarbeit. So begann alles.

Aktuell haben wir keinen regulären Dance und keine Homebase, da die räumlichen Bedingungen in Potsdam das nicht hergeben. Wir haben in Potsdam Orte, wie das freiLand/ Spartacus, das Archiv, das Rechenzentrum und den Black Market, wo wir häufiger spielen. Perspektiv möchten wir natürlich einen Regular etablieren.

Ihr habt in diesem Jahr zum zweiten Mal ein Soundsystem Festival im Freiland in Potsdam veranstaltet. Wie ist die Idee dazu entstanden und was ist eure inhaltliche/musikalische Mission?

Das Soundsystem Festival ist entstanden, weil wir auf der Suche nach einem Veranstaltungsort waren. Im freiLand und Spartacus bot sich uns dann ganz spontan die Möglichkeit und wir haben daraus ein Ein-Tag-Festival – das Dubversiv Soundsystem Festival – kreiert. Wir wollten schon immer verschiedene Soundsysteme und viele unterschiedliche Menschen zusammenbringen und gemeinsam das Leben und die Soundsystemkultur feiern. Am frühen Nachmittag haben bei der ersten Auflage das Roots Rocket und das King David Soundstyem aufgebaut und im Conference-Style gespielt. Drinnen wurde unsere Anlage aufgebaut. Rundherum gab es Essen, Infostände, eine Kids Area und so weiter.

Nach diesem Prinzip fand auch am 22. Juli 2024 wieder ein Soundsystem Fest statt. Eingeladen wurden diesmal unsere Freunde vom Roots Rocket Soundsystem und Graograman HiFi Soundsystem. Im Spartacus stand dann das DUB:versiv Soundstystem (full stack), welches u.a. durch JOEone, MzKool und Photom vom DUB:versiv Kollektiv , sowie Dubious [IrieItes] und DJ Ape bespielt und durch Peter Schlaks beritten wurde. Es war einfach wieder grandios und macht Lust auf eine weitere Wiederholung.

Könnt ihr die Initiative Freiland einmal kurz vorstellen? Beim meinem kurzen Besuch im letzten Jahr empfand ich das gesamte Gelände, die Location und die Gebäude als äußerst charmant.

Das freiLand ist ein selbstorganisiertes Jugend- und Soziokulturzentrum. Hinter dem freiLand stehen mehr als 50 feste Projekte in einem breiten Spektrum von sozialer Arbeit und Jugendorganisationen über vielseitige Kultur- und Veranstaltungsorte, Sport- und Theatergruppen bis hin zu divers aufgestellten Kunst- und Kulturschaffenden. Das ganze Gelände ist im Eigentum der Stadtwerke und wird seit 2010 dauerhaft gepachtet. Das Gelände besteht aus mehreren Häusern, die eine Vielzahl von Räumen ermöglichen. So findet man im freiLand u.a. diverse Büros, Ateliers, Seminarräume, Sport- und Theaterprobenräume, einen Jugendclub, zwei Veranstaltungshäuser, ein Radiostudio und eine Siebdruckwerkstatt, einen umfassenden „Maker Space” mit angeschlossenem “Bio-Hacking Labor” sowie gerade in Entstehung befindliche Bandprobenräume und Tonstudios. Die Wände der Häuser im freiLand sind eine große, sich stetig wandelnde Open-Air-Graffiti-Galerie. Im Gebäude, in dem sich die meisten Kunstwerke befinden, ist das Spartacus zu Hause. Ein selbstverwalteter Veranstaltungsraum, den wir für unser Festival nutzen. Außerdem stellt das freiLand sein Außengelände „urbanen Gärtner*Innen” zur Verfügung. Es gibt hier eine öffentliche Minigolfanlage. Organisatorisch wird es aktuell durch die Cultus UG getragen. Die Entscheidungsstrukturen sind das Plenum und diverse Kreise.

Das freiLand ist für uns der Ort in Potsdam, wo wir uns ausprobieren können. Hier gibt es Raum für Möglichkeiten. Wir senden z.B. jeden vierten Montag aus dem Radiostudio des Freien Radio Potsdam unser DUB:versiv Radio über UKW/DAB+ und Internetstream.

Wo bzw. wie seid ihr das erste Mal mit dem Thema Soundsystem in Berührung gekommen?

Johannes: Bei mir hat es angefangen, als ich mir meine ersten 1210er und ein Pioneer Mischpult hart erspart hatte. Ich bin dann an zwei 15“ Bassreflexboxen gekommen. Ich habe angefangen diese umzubauen und dann weitere Boxen gebaut und zu einem eigenen Soundsystem erweitert. Das Badda Boom Soundsystem. Musikalisch bin ich Ende der Neunziger über Drum & Bass und Jungle beim Reggae angekommen. Seitdem lässt er und die gesamte Kultur mich nicht mehr los. Ein Dance ist für mich ein Safe Space, wo alle den gleichen Vibe spüren. So war es schon auf meinen ersten Dances bei Such-A-Sound, Concrete Jungle, Supersonic und Soundquake. Big Up. Und damals natürlich die Reggae/D’n’B Partys im alten WMF.

Daniel: Mit dem Thema Sound und Soundsystem bin ich Anfang der 2000er mit meinem Einstieg in die Potsdamer Soundszene angefangen. Davor habe ich Hip Hop und Breaks aufgelegt. Es gab damals viele Sounds, wie Irie Eye, Rocketeer, Township Sound, das Soundkollektiv und Irie Vibez Sound von Johannes. Wir haben uns zu einem Zeitpunkt getroffen, der günstig war für unseren gemeinsamen Sound. Wir haben uns dann zeitnah in Badda Boom Sound umbenannt und haben dann 20 Jahre Reggae Dancehall und Soca gezockt. Ich bin inspiriert von Mitschnitten von Massiv B, Killamanjaro, Mighty Crown, Bass Odyssey und unzähligen Soundclashes und Dances. Ich hab mal beim Reggae Jam am Wald vor dem Schützenhaus gezeltet. Neben dem Schützenhaus stand die Anlage aus dem alten Yaam. Der Bass war Gänsehaut pur. Oder die fahrenden Soundsysteme beim Soca. Also Soundsyteme haben mich immer als Teil meiner musikalischen Identität begleitet. Durch Johannes haben wir auch stetig am Badda Boom Soundsystem gebaut, um unabhängiger zu sein. Mit Martin kam dann der Impuls selber ein Soundsystem dieser Dimension zu bauen. Der Wahnsinn.

Martin: Das erste Mal in den Genuss von einem Soundsystem bin ich auf dem DubCamp Rieben, im Yaam und natürlich bei der Roots Base auf der Fusion gekommen. Das waren alles in allem starke Momente und die haben sich einfach tief eingebrannt. Nachdem wir erste Veranstaltungen als Dubversiv organisierten und immer nur normale PAs zur Verfügung hatten, waren die nie ausreichend, wenn es um eine stiltreue Wiedergabe von Dub geht. Also hatte ich genug und startete die Idee eines eigenen Soundsystems.

Haben euch spezielle Events oder andere Soundsystems dazu inspiriert, ein eigenes System in Angriff zu nehmen?

Martin: Bei mir war es die Veranstaltung vom Berlin Soundsystemkollektiv, wo ich als Boxman für Roots Rocket aktiv war. An dem Abend waren vier Berliner Soundsystems im Yaam, Graograman, Freedom Fighter Soundsystem, Behold & Live & Roots Rocket. Mich hat die Sounderfahrung, der Zusammenhalt, die Liebe und die Family inspiriert und die Möglichkeit, mit viel Expertise und Unterstützung ein eigenes Soundsystem aufbauen zu können, regelrecht beflügelt.

Daniel: Bei mir war es eher die Möglichkeit mit Freunden solch ein Projekt umzusetzen. Was Soundsysteme für Magie entfachen können, wusste ich da schon.

Was begeistert euch an der Soundsystem-Kultur?

Martin: Dieses Familyting, der Sound, der Bass, die Körpererfahrung vor einem Soundsystem zu skanken, die Spiritualität und der Support unter den Crews, die Music, die Vibez bei einem Dance, die Menschen von, die von überall herkommen, die postiven Vibrations und den festverankerten Antifaschismus in der Szene. Big Up hier ganz speziell an das Dub:versiv Kollektiv & Roots Rocket & King David Soundsystem & freiLand & Spartacus & IrieItes.de.

Daniel: Die Freundlichkeit. Es ist eine offene, universalistische Szene. Alles ist sehr D.I.Y. und mit Liebe gemacht. Ich mag den Klang des Dubs über die Anlage. Pure Energie.

Ihr benennt euch immer wieder als Kollektiv. In der Vergangenheit habe ich mitbekommen, dass eure Crew stilistisch bunt aufgestellt ist. Habt ihr bei euren Selections Vorlieben? Welche Musik ist bei euren Dances zu hören?

Martin: Unsere Veranstaltungen sind meist sehr aufwendig, weil wir von Tür, Deko über Bar, Awarness bis zum Flyer alles selber machen und das schaffen wir nur im Kollektiv. Dieses besteht aus ganz unterschiedlichen Menschen, die einen machen die Flyer, die anderen die Radiosendung, die anderen legen das schwarze Gold auf die Turnies und es gibt auch einfach immer wieder unterschiedliche Unterstützer*Innen für Tresenschichten usw., die uns auf einzelnen Veranstaltungen ehrenamtlich zur Seite stehen.

Um das Festival durchzuführen sind wir diesmal schon auf eine Gruppe von ca. 40 Personen angewachsen. Musikalisch mögen wir es einfach divers – von RootsReggae bis Jungle über Dubstep und Steppers usw. Wir sind auch immer offen für neue Menschen, so konnten wir mit Photom (Dubstep,DNB, usw.) einen weiteren DJ und Produzenten für das Kollektiv begeistern. Bei unseren Veranstaltungen decken wir meist ein großes Spektrum, dass zeigt auch die Diversität in unserem Kollektiv.

Daniel: Ich mag es musikalisch kraftvoll und Reggae influenced. Das fängt bei Ska und Rocksteady an und hört bei Jungle und D’n’B auf.

Gibt es besondere Künstler*Innen, Produzent*Innen oder Labels, die ihr besonders mögt und dementsprechend auch häufiger spielt?

Daniel: Ich mag aktuell die Platten von Moonshine Recordings, O.B.F., Jah Schulz, etc., immer Studio One, Black Arc, Technics. Mein aktueller Big Tune Jah Melodie “Love Jah More“, ewiger Favourit Lloyd Charmers “Darker Than Blue“.

Martin: LionsDen, Dub Invasion, ODG, Waggle Dance, Freedom Sound, Jah Militant, Soon Come usw…

Das Betreiben eines Soundsystems hat neben der Musik viel mit Technik zu tun. Stellt bitte eure aktuelle Hardware für die technisch interessierten Leser*Innen vor.

Johannes: Aktuell spielen wir mit acht 15“ RCF L15P400 bestückten Scoops, sechs HD 15 PD 154 Kicks, vier B&C 12MH32-8 Mittenhörner und zwei Tweeterboxen bestückt mit jeweils 4xFaital Pro FD371-8 (Bullet Tweeter) und jeweils ein B&C ME60 Horn mit Faital Pro HF2000-8 Treiber.

Auf der Towerseite haben wir die L-Serie von Dynacord. Zwei L 3600 FD und dann noch je eine L 2800, 1800 und 1300 FD. Weiterhin ist im Tower von den Endstufen Richtung Mixer eine Drei-Phasen Power Distro, ein DBX- 166 XL Kompressor, ein altehrwürdiger Klark Teknik DN 360 Equalizer, ein Behringer Ultra Curve zum Einrauschen, ein Feedbackdestroyer, ein Multieffektgerät für den Grundhall der Anlage, ein SPL Vitalizer Nachbau, ein BBE 482i Sonic Maximizer Nachbau, ein spezieller Kompressor zur Dekompression bzw. Dynamikerhöhung und dann noch ein simpler Eingangskompressor gegen übersteuerte Eingangssignale. Das alles wird abgesichert durch eine Samson PowerBrite Pro 10. Dann noch zwei Frequenzanalyzer zur Ein- und Ausgangskontrolle. Abgrundet wird das ganze durch das Mixercase mit einem Soundcraft Spirit Folio Pult, zwei Mikrofonvorverstärkern und einem t.c. elektronic Delay/Hall.

Der Tower war am Anfang in weiten Teilen vom Badda Boom Soundsystem genommen und ist jetzt zum DUB:versiv Soundsystem übergegangen.

Alleine schon logistisch ist ein Soundsystem herausfordernd. Wer macht bei euch was? Wer legt auf, wer macht die Flyer, wer baut auf etc.?

Martin: Daniel und ich machen bisweilen alles Organisatorische und Johannes hat sich um das Technische gekümmert und wurde nun von Marc abgelöst (da Johannes sich wieder mehr auf sein eigenes Projekt konzentrieren will), Micha und unsere DekoCrew um die Optik, Almut, Tobi und Tim ums Licht, insbesondere Tom um die Flyer und Julius um das Kassenthema. Wir haben natürlich auch immer wieder ein wunderbares KÜFA-Team am Start, Bar und Tür wird je nach Veranstaltungsort aber schon sehr häufig von uns selber gemacht. Da der Sound sich immer in meiner Nähe befindet, kümmere ich mich meist um Transport, Rigging und natürlich um die vielen Helfer*innen und die meiste Koordination.

Dickes Kompliment an euer Artwork/Logo! Super konsequent und stylish zugleich. Wer hat sich das ausgedacht?

Unser aktuelles Logo beruht auf einer Schriftart, die etwas modifiziert ist. Das hat Tom unser Mensch für Grafik und Flyer erstellt, als wir in einer Sinnkrise in der Logofindung steckten. Jetzt hat es sich etabliert und wir sind sehr glücklich darüber. Wir können gerne Kontakte weiterleiten.

Welche Visionen habt ihr für euer Soundsystem? Was steht demnächst an?

Johannes ist Anfang des Jahres aus dem Dub:versiv Kollektiv ausgestiegen und arbeitet aktuell weiter am Badda Boom Soundsystem. Wir wollen uns als Kollektiv weiterentwickeln und wollen uns in regelmäßigen Abständen Plenumsmäßig verbessern. Kommunikation ist halt immer eine Kernaufgabe… Ab November werden wir einen RegularDance im Spartacus Potsdam durchführen können und weitere einzelne Veranstaltungen sind im Rechenzentrum, Fete de la Musique gemeinsam mit dem Black Market Potsdam und natürlich unser Dubversiv Soundsystem Festival im freiLand geplant. Weiterhin kann mensch uns monatlich am letzten Montag des Monats von 22 bis 0 Uhr im Freien Radio Potsdam(Frrapo) hören.

Aber ich persönlich träume immer noch davon in Potsdam ein SOUNDSYSTEMGATHERING über zwei Tage zu organisieren, mit je 3-4 Soundsystem pro Session, aber manchmal dauert alles etwas länger ;-), sonst gibt es natürlich noch viele weitere Gedanken für die Zukunft.

Welche besonders wichtigen Tipps habt ihr an diejenigen parat, die derzeit darüber nachdenken, selbst aktiv zu werden?

Werdet aktiv bei euren örtlichen Soundsystem und dann geht’s mit der Soundsystem Family in unbekannte Welten. Alles was mit Liebe gemacht ist, wird gut.

Interview: IrieItes-Crew/Karsten Frehe (07/2024), Fotos: Julius Krüger und Dubversiv Kollektiv

About Karsten

Founder of the Irie Ites radio show & the Irie Ites Music label, author, art- and geography-teacher and (very rare) DJ under the name Dub Teacha. Host of the "Foward The Bass"-radio show at ByteFM.