Sugarhill Gang
"Sugarhill Gang"
(Castle/Sanctuary/Zomba - 2002)
Mal ganz ehrlich:
könnt ihr diesen "Ketchup Song" noch hören, der
die Mainstremradios und TV-Musiksender und damit Millionen von Menschen
sowie insbesondere die Ohren gestresster Eltern terrorisiert. Meine
Tochter hat ihn bekommen, leichtsinnigerweise von mir, und es als Rekord
auf ca. 25 Abspielungen an einem Tag gebracht. Immer hintereinander
weg! Doch was haben der "Ketchup Song" und die Sugarhill Gang
gemeinsam....und vor allem: was soll eine Besprechung des wiederveröffentlichten
Sugarhill Gang-Albums auf einer Reggaehomepage? Der Reihe nach. Die
drei Grazien des "Ketchup Songs" trällern in ihrem Refrain
die leicht veränderte Melodie vom Anfang des Titels "Rapper's
Delight". Dieser Titel dürfte 1979/80 so ziemlich jedem Menschen
aufgefallen sein, der seine Ohren an der Popmusik gehabt hat. Die Sugarhill
Gang hatte damit ihren Megahit in der Anfangsphase des (kommerziellen)
Rap. Der hatte damals viel mehr mit Funk zu tun als mit Reggae - nicht
wie der aktuelle Hip Hop, der ja enorm viel Inspiration aus dem Reggae
und insbesondere dem Dancehall bezieht und umgekehrt einiges in die
andere Richtung abgibt. Damals, als die Koteletten noch länger
und die Oberlippenbärte in und vor allem sehr dünn (also eher
-bärtchen) waren, rappten sich Wonder Mike, Master Gee und Big
Bank Hank in die Top-Positionen der Charts und ebneten zusammen mit
Grandmaster Flash ("The Message") und Kurtis Blow (sowie diversen
anderen Musikern) den Weg für den Rap/Hip Hop. Wie neu diese Musik
für die meisten HörerInnen damals war, lässt sich alleine
schon daran ablesen, dass es in den Anfangsminuten des Liedes gleich
folgende Erklärung zu hören gibt: "Now what you hear
is not a test, I'm rappin' to the beat...."! Auf einer tollen Bassline
halten es die drei Jungs ganze 14 Minuten und 30 Sekunden vor den Mikrophonen
aus. Das nennt sich 12 Inch-Version (!), nicht die läppischen Minimalverlängerungen,
die es heute oft zu hören gibt! Die gebräuchliche 7''-Single
war allerdings auch damals aus Platzgründen sehr viel kürzer.
Bevor ich mich nun noch weiter verstricke, komme ich mal zu den allgemeinen
Eckdaten: Castle Records hat das Album wieder auf den Markt gebracht
- ob als Reaktion auf den "Ketchup Song" kann hier nicht bestätigt
werden - und in eine hübsche Hülle hineingepackt. Neben "Rapper's
Delight" (Track One) gibt's noch 5 weitere Titel zu hören,
die allerdings alle nicht an die Eingängigkeit und die Klasse des
Hits herankommen. Nett sind vor allem noch das funkige "Sugarhill
Groove" (9:41 Minuten) und "Rapper's Reprise" (7:48 Minuten),
das dem Opener vergleichbar ist! Gruselig kitschig und vor allem souliger
wird es mit Titeln wie "Bad News Don't Bother Me" und "Here
I Am". Das hätte auch damals nicht sein müssen und gewinnt
selbst aus historischer Perspektive nicht an Klasse!
Doch nun noch zu der rhetorischen Frage, was eine Besprechung dieses
Albums auf einer Reggae-Site zu suchen hat. Neben der Tatsache, dass
Reggaehörer sich auch anderen Musikstilen gegenüber als offen
erweise bzw. es sollten, könnte man nun etwas über die gemeinsamen
Wurzeln von Toasting im Reggae und dem Rap verlauten lassen. Doch ist
hier eine nette Information viel konkreter als diese Allgemeinplätze,
denn ein Blick auf das Lineup dürfte so manchen staunen lassen:
Keith LeBlanc und Skip McDonald haben hier ihre gemeinsame musikalische
Vergangenheit! Beide waren in der Rhythmusgruppe an den Drums bzw. der
Gitarre zu hören und spielten ebenfalls die Hits von Grandmaster
Flash mit ein. Zusammen mit Gary Clail traten sie später als Tackhead
bei On-U Sound in Erscheinung und erst kürzlich spielten beide
Musiker wieder zusammen ein Album als Little Axe ein. Na.... das ist
doch mal interessant, oder!?
Karsten