Wie
kommt es, dass ausgerechnet in Wien eine so hohe Affinität
zu Downbeat/Dub anzutreffen ist?
In
Wien sitzt man so irgendwie in der Mitte von Allem und
bekommt die Rundumszene aus dem UK, den USA oder Jamaika
gefiltert durch den Recorddealer oder Club deines Vertrauens
mit. Mainstreammedien hier leben noch immer irgendwo den
Poprockwahnsinn des Austropops. Das war Anfang 90 so und
ist es nach wie vor. Dass es Bands wie Kruder & Dorfmeister,
die Sofa
Surfers oder uns gibt, die seit Jahren international
touren, interessiert den ORF nicht die Bohne. Und die
Indie Acts haben auch längst auf diese ganzen Oldschool-Pflaumen
gepfiffen. Dadurch hat sich aber auch ein gewisser Trotz
entwickelt. Gegen das oft ziemlich rechte Austrogehabe
schafft die Konzentration auf Experiment, electronische
Sounds, Heavy Dub Bass wohl einen gewissen rebellischen
Abstand zu der ganzen Oberfläche hier. Der Österreicher
ist ja obendrein auch ein Grübler und permanenter
Hinterfrager, Zerleger und neu und anders Zusammenbauer
und will sich aber dabei auch gut fühlen und ein
wenig lazy bleiben können. Fazit: Wir konnten mentally
nur nach Dub-Jamaica gehen....
Mittlerweile
kommen viele internationale Acts ja auch nach Wien, 1988
musste man alles noch wesentlich virtueller angehen. Die
ganzen Soundtüftler hier haben mit dem oft klassischen
Musikbackground gebrochen, durch den, sag ich mal psychischen
Knick den diese Stadt hat, hat diese elektronische Musikfrickelszene
begonnen. Am Ende des Tages sind die ganzen Kruder &
Dorfmeisters, Shuga Dub Clubs, Sofa Surfers, und meine
Wenigkeit ins selbe Gymnasium gegangen und irgendwann
hat sich aus einem kleinen Haufen dann Verschiedenes zu
entwickeln begonnen. Wenn der November über der Stadt
hängt und die Schatten von Orson Wells "Dritten
Mannes" an den 1000jahre alten Mauern vorbeihuschen,
sich das Ganze mit Urban-City-Life-Vibes verbindet, musstest
du als Paul Zasy von Dubblestandart irgendwann in den
Proberaum im Keller steigen, On-U verherrlichen und eigene
Heavy Bass Riddims basteln...Die Suche nach Erdung durch
Musik ist im Downbeat und hier in Wien wohl on every corner
.....
Wenn
ich mir das neue Album anhöre, so fällt mir
auf, dass sich euer Sound grob vereinfacht zwischen zwei
Polen bewegt: etwas dunkleren, treibenden (wie etwa bei
"We All Have To Get High") und verspielt-fröhlichen
Sounds (z.B. "When I Fall In Love"). Findet
ihr euch in dieser Polarisierung wieder?
Der
Song "We All Have To Get High" symbolisiert
ziemlich ultimativ den aktuellen Dubblestandart-Sound
- High-Energy Dub, heavy Bass, spacy, psychedelic und
mit der von den Doors geklauten und ins ironische "Lets
Get Lost"-Universum gezoge-nen Line "out here
we are stoned, we all have to get high". Das Ding
ist live auf 2 Inch analog draufgeklopft - Robbie und
ich haben dann noch ein wenig overgedub-bed und Devon,
mit dem wir ja schon lange arbeiten, hat dann die tiefsinnige
(haha) Phrase "we all have to get high" beigesteuert:
Der Hohepriester des psychedeli-schen Weltraums hat gesprochen!
- quasi. Ken Boothe, den ich ja mit Devon schon einige
Male bei Videoshootings oder Produktionen in Kingston
getroffen hab, hat uns die Originaltracks seines Songs
"When I Fall In Love" zukommen lassen. Da konnten
wir mal wieder als Remixer im virtuellen Dubraum rummachen.
Von der Full Power Live Band bis hin zum Studio-Tüfteln
ist es das, um ehrlich zu sein, was wir seit den "early
days" immer machen wollten.
Dub wird weltweit gerne am Computer zusammengeschraubt.
Ihr spielt ihn hingegen live auf den Bühnen der Welt.
Wo seht ihr die Vorteile, Dub live zu spielen?
Ich
denke es geht nicht so darum, ob es ein Vorteil ist. Es
hängt vom Konzept ab. Die ganzen neuen Dubstep-Sachen
mit ihrer ungeheuren, tiefen Energie entstehen alle im
Studio. Uns beeinflusst diese Szene derzeit durchaus.
Unser Ansatz war halt auch immer das eigene Bedürfnis,
ganz simpel und einfach gemeinsam Musik zu machen. Nach
Schule usw. hingen Anfang der 90er die Leute in einem
compound ab, hörten Musik, versuchten sich einen
Reim auf das Leben und die Welt zu machen. Das Ganze halt
mitten in Europa in einer Post-New Wave-Zeit mit einer
aufkommenden neuen Ökonomie und dem Bedürfnis,
sich aus allem rauszunehmen. Da waren Dubreggae-Vibes,
ob nun britischer oder jamaikanischer Ausprägung
der Kosmos . Plus: ich sag es profan, wenn ich uns heute
nach all den Jahren so anschaue: ge-meinsam ordentlich
abzurocken und das mit Hirn (in unserm fall ist das Hirn
in der bassmembran zu suchen) war auch ein Ziel.
Die
Energie des Publikums fließt direkt über, du
reagierst auf jedes Publikum, jeden Tag, jeden Ort anders
und das Publikum auf dich. Dub live heißt, die im
Studio pro-duzierten Tracks neu und vor allem gemeinsam
mit dem Publikum zu interpretieren.
Welche
Rolle spielt bei euch die Computertechnik bei der Band?
Robbie
Ost hat ja immer schon mit all dem Hi-TechGear und den
alten, analogen Sachen experimentiert. Dub ist für
mich sowieso nach wie vor die Musikrichtung, wo bereits
Anfang der 70er mit all dem gearbeitet wurde, was heute
alltäglich ist. Vor allem aus Instrumentals zu gesungenen
Songs eigene neue Tracks ohne Leadsän-ger aber mit
einer vollen Struktur zu machen. Wir haben anfangs ja
nur mit 4-Spur-Sachen und dem Kram, den wir uns leisten
konnten, produziert. Ähnlich den Anfän-gen in
den Studios in Kingston. Electronics sind fixer Bestandteil
bei uns und zwar in der Brücke des Sounds der alten
Geräte zur Bearbeitung von Livesessions mit mo-dernster
Studiotechnik.
Wie
kommen bei einer mehrköpfigen Band die Songs zustande.
Ist es ein ge-meinsamer Prozess, bei dem jeder seine Ideen
einbringt, oder habt ihr so et-was wie einen Bandleader/kreativen
Kopf, der das Ruder in der Hand hält?
Live
gibt es einfach Bass, Gitarre, Keys und Schlagzeug, die
gleichberechtigt die "Basic Sessions" einspielen.
Im Studio schrauben ich und Robbie das Ganze dann zusammen,
wobei Robbie definitiv der Mischpultattentäter ist
und quasi meine Ohren in seinen heiligen Händen hat
und das Ganze umsetzt. Nachdem die Jungs eher im Hintergrund
agieren wollen kümmere ich mich sozusagen um den
Kontakt zur Au-ßenwelt...bei uns gibt es kein Management,
wir machen alles selbst.
Ihr
habt euch für insgesamt 3 Coverversionen entschieden.
Neben "Wadada" vom Dub Syndicate und "MPLA"
von Tappa Zukie nehmt ihr euch "Money" von Horace
Andy und dem Klassiker "When I Fall In Love"
von Ken Boothe an. Wie kam es zu eben genau dieser Auswahl?
"Wadada"
kam über die Livesession die wir letztes Jahr mit
Little Axe AMS bei unse-rer Kanada-Tour machten, zustande.
Da hatten wir auch mal mehr Zeit, mit Adrian Sherwood,
Doug Wimbish, Skip, Keith Le Blanc und den anderen Originalen
von On-U Sound zu arbeiten. Wir haben dann die Original-Samples
von Prince Far I bekom-men und das Ding wurde eingetütet.
Tappa Zukie kenne ich ja ebenfalls über Devon wenn
ich in Kingston bin, dadurch haben wir den Track im Vorfeld
rechtlich bei einem Reasoning geklärt. "Money"
kam durch den Support von Nicolai von unserer Plattenfirma
Collision zustande, der sowieso die halbe oder ¾
der Dubreggaeszene kennt. Die Tracks entsprechen auch
unserem Commitment und Respekt für originalen Dubreggae,
auch vielleicht um klarzustellen, dass wir starke mentale
Verbindungen zu Reggae haben und nicht irgend ein weiterer
elektronischer Act sind, der hier einfach Reggae Styles
benutzt. Ich hab da sicher eine etwas radikalere Meinung,
da für mich so der-maßen viel in der heutigen
Musik auf die Experimentierfreudigkeit der Kollegen auf
Jamaika zurückgeht.....
Was
macht für euch eine gute Coverversion aus?
Sie
muss rocken, ein Feeling haben, sollte das Original nicht
in den Dreck ziehen und eben eine interessante Neuinterpretation
passend zu uns sein....
Bei
"Wadada" ist Prince Far-I zu hören. Er
spielt gerade im Bereich Dub auch posthum noch eine große
Rolle. Wie erklärt ihr euch das?
Die
Stimme ist so dermaßen mighty und hat auch dieses
Unergründbare und Mysti-sche. Ich find ja frühe
Dubwerke auch deshalb so spannend weil die Aufnahmen mehr
sind als die Summe der Studiotechnik: Kingston, die Vibes,
die Hitze, political structure, the smell of the air,
the dust, the agony but also the faith in the music und
der Rhythmus, wie ein Atem holend und immer wieder kommend.
Prince Far-I hat auch diesen entrückten Highpriest
Autoritätstouch....Und diese Mystik und Entrücktheit
findet wohl die ganze Welt inspirierend.
Ihr
reist demnächst nach New York, um euren Dub zu spielen,
danach nach Frankreich. Erlebt ihr Unterschiede im Publikum?
Es
hängt primär davon ab, ob wir die Vibes des
Publikums gefühlsmäßig aufnehmen und das
Publikum die unseren. Wenn das klappt wird überall
eine Heavyweight High Energy Dub Party draus. Fakt ist
das die Crew in Kanada & USA am schnellsten mit-rockt
und sie in unserer Heimatstadt Wien am reserviertesten
sind. Da ist es eben unser Job, so gut zu sein, dass sie
schlussendlich doch mitgehen. Aber mit Jah Po-wer ist
es bis jetzt immer gut dahingegangen........
Interview:
Karsten Frehe (05/2007)
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