FUNKSTÖRUNG
- arrangierte Dekonstruktion?
"Disconnencted"
heißt das neueste Werk von Chris de Luca und Michael
Fakesch aka Funkstörung. Schauen wir mal im guten
alten Langenscheidt Schulwörterbuch Englisch nach,
so bedeutet "disconnect" so viel wie "trennen",
aber auch "ein Gerät ausstecken" oder
"eine Verbindung trennen". Hinweise auf das,
was bei dem neuen Album zu erwarten ist geben eigentlich
alle diese Varianten. Mit "Disconnected" wird
ein Einschnitt im Schaffen von Funkstörung markiert,
vielleicht nicht ganz eine Trennung ohne bestehende
Verbindungen zum Früher, denn es bestehen sehr
wohl Bezüge. Dennoch: die beiden Soundkünstler
aus Rosenheim schlagen einen Haken und versuchen sich
auf neuen Wegen. Will heißen: reine Elektronik
wird bei der Produktion deutlich mehr zurückgelassen
(also: "ein Gerät ausstecken"!). Dafür
kommen akustische Instrumente und Gesang hinzu. So treten
Enik, Multiinstrumentalist und Sänger aus München,
Lou Rhodes, Sarah Jay (eine Stimme des letzten Massive
Attack Albums "Mezzanine"), Tes, Mark Boombastic
und Rob Sonic vor das Mikro und veredeln die oft vertrackten
Kompositionen der beiden Tüftler. Die britzeln
auch gleich mit dem Opener "Cement Shoes"
ordentlich los und entfalten ihre Vielseitigkeit bis
zur letzten Note bei "Captured In Tones" feat
Sarah Jay. Von Dekonstruktionen ist weniger zu merken.
Dennoch liegen die Titel fernab von Seichtheit und Mainstream.
Eingefleischte Funkstörung-Fans mögen die
Neuerungen stören, anderen wird hingegen der kleine
Finger gereicht und zum Eintritt in das Funkstörungsuniversum
gebeten. Unter allem befindet sich nach wie vor und
irgendwie eine intelligente Variante von Hip Hop, mal
mehr (wie z.B. bei "Fat Cat Feva" feat. Tes
und "Mr. Important" feat. Rob Sonic) mal weniger.
Vor der Etikettierung "Trip Hop" warnt das
Info und droht mit Haue. Kein Problem, verzichten wir
also auf den Begriff, der sowieso viel zu matschig und
beliebig geworden ist nach dem inflationären Gebrauch
in den letzten Jahren. Gute Musik setzt sich eh oft
über Genregrenzen spielerisch hinweg, so auch die
von Funkstörung!
Stephan Oettel sprach mit Chris de Luca und Michael
Fakesch am 19.2.2004 in Berlin....
"Disconnected" ist das erste Album
von Funkstörung mit Schwerpunkt auf dem Gesang.
Wie kam es dazu?
Michael:
Funkstörung mit Gesang ist eigentlich immer schon
ein Part der Mission gewesen.
Chris: Seit dem Björk-Remix haben wir schon
mit Gesang gearbeitet.
Michael: Genauso mit Raps. Es war immer schon
ein wichtiger Teil von uns. Das haben die Leute nur
irgendwie nicht so richtig mitgekriegt, weil dieser
Gesangpart fast nur bei Remixen stattfand. Wir hatten
irgendwie noch nie den richtigen Sänger, die richtige
Sängerin für uns selber gefunden. Das haben
wir jetzt mit "Disconnected" endlich geschafft.
Hattet
Ihr keine Lust mehr auf Instrumentals?
Michael:
Jein. Instrumentals kicken uns einfach nicht mehr. Vokals
bringen Musik auf ein neues Level. Und das macht vielmehr
Spaß. Das kickt uns persönlich viel, viel
mehr, z. Zt.
Chris: Vor allem haben wir jahrelang viele Instrumentals
gemacht. Für uns war diese Zeit einfach vorbei.
Ein Thema, das wir schon durchgemacht haben. Für
uns war die neue Herausforderung halt eben auch, mit
Gesang und akustischen Instrumenten zu arbeiten.
Es
geht sogar noch weiter: "Disconnected" ist
das erste Album von Funkstörung mit dem Schwerpunkt
auf Songs statt wie bisher auf Tracks. Hattet Ihr keinen
"appetite for disctruction" mehr?
Michael:
"Appetite for disctruction" haben wir immer,
weil wir immer noch quasi dieselben Frickler sind, dieselben
Schredderer. Bloß haben wir irgendwie unseren
Fokus ein bisschen geändert. Wir wollten die ganzen
Melodien, die Vokals, das alles im Vordergrund haben
und die ganzen Beats, die ganzen Sounds, die ganzen
kleinen Details voll im Hintergrund haben. Wir wollten
wirklich Songwriting machen. Wir wollten weg vom Trackwriting
und wir wollten Songs schreiben. Bevor wir das Album
angefangen haben, haben wir uns eine Aufgabe, ein Ziel
gesucht. Es war ganz klar, dass wir nicht noch mehr
programmieren wollen, nicht noch detaillierter werden
wollen, sondern richtiges Songwriting machen wollen.
Wir haben so viel Pop und Rock gehört. Das Songwriting
war das Coolste daran, eigentlich.
Songs
statt Tracks und ein Bekenntnis zu Pop und Songwriting
- das scheint momentan im Trend zu liegen …
Michael:
Also, ich weiß nicht. Wir folgen irgendwie nicht
so wirklich Trends. Wenn alle jetzt Songs machen würden,
interessiert und das eigentlich gar nicht. Ich kann
nur für uns persönlich sprechen. Uns haben
Songs gekickt, Songwriting war für uns das neue
Ding.
Chris: Dadurch, dass wir auch Leute wie Jay Jay
Johannsen produziert haben, haben wir so viel gelernt.
Wir haben gemerkt, dass Songwriting echt "geil"
ist. Es ist spannend und interessant zu wissen, wie
das überhaupt aufgebaut ist, und warum das überhaupt
Sinn macht und alles.
Für
alt gediente Funkstörung-Fans dürfte "Disconnected"
ungewohnt klingen. Ist es noch Funkstörung im eigentlichen
Sinne?
Michael:
Wir sind uns total bewusst, dass wir uns wahrscheinlich
mit dem Album zwischen die Stühle hocken. Für
die Nerds sind wir nicht mehr Underground, nicht mehr
frickelig, nerdig genug. Und für die Popper sind
wir definitiv nicht poppig genug. Aber uns ist das scheißegal.
Wir haben einfach nur ein neues Ding für uns selber
gesucht. Ich glaube, dass die richtigen Fans - die "richtigen
Fans", das klingt so blöde, aber die Fans,
die unsere Musik schon seit langem kennen - für
die ist das Album überhaupt keine Überraschung,
weil die immer schon mitgekriegt haben, dass wir mit
Vokals arbeiten, dass wir mit Instrumenten arbeiten
wollen, gerade eben bei den Remixen, dass wir irgendwo
verkappte Popper sind. Was soll's. Aber das hat Spaß
gemacht.
Chris: Es gibt auch viele Fans, die wir haben,
die eigentlich sogar aus dem Industrial-Bereich kommen.
Die auch schon viel mit Gesang gemacht haben, so Bands
wie Einstürzende Neubauten. Ich glaube, die verstehen
das dann schon eher. Wobei es natürlich auch viele
Fans gibt, die aus den Techno- oder Elektronik-Umfeld
kommen, die mit Gesang nichts am Hut haben. Die werden
natürlich oder wahrscheinlich auch sagen: nö.
Michael: Was wir auch gemerkt haben, in vielen
Interviews, dass viele Interviewer so darauf reagieren:
es hat uns tierisch gefreut, dass ihr mal was Neues
ausprobiert habt. Genau das ist das Tolle an Funkstörung,
dass man bei einem Funkstörung-Release nicht genau
weiß, was kommt. Klar, es gibt so ein Trademark,
einen roten Faden, der sich überall durchzieht.
Aber die Leute hätten ein totales Instrumentalalbum
erwarten können, völlig übel programmiert.
Oder ein reines Hip Hop Album. So eine Mischung, ein
Pop-Album, das war das Spannende, glaube ich. Das ist
auch das Spannende für die Leute, die unsere Musik
mögen, dass wir hoffentlich noch überraschen
können.
Überraschend
ist "Disconnected" auf jeden Fall, nicht zuletzt
wegen der Soul- und Hip Hop Elemente. Woher kommt dieser
Einfluss?
Michael:
Hip Hop, Soul - der Einfluss war immer schon irgendwie
da, Funk oder was auch immer. Bloß, er ist nie
so stark zur Geltung gekommen. Wir haben mit "Disconnected"
nach ein bisschen was Neuem gesucht und Industrial praktisch
abgehakt. Hip Hop, ja, haben wir schon probiert aber
noch nicht ganz ausgereizt. Deswegen war das noch ein
Thema, das uns interessiert hat. Pop hatten wir natürlich
auch schon angefangen, aber noch nicht ganz ausgereizt.
Deswegen war das auch noch ein Thema für uns. Songwriting
hatten wir noch nicht wirklich angefangen. Das war eben
das Spannendste daran. Akustik-Instrumente hatten wir
nur so leicht angefangen, bei Remixen. Es war ein spannendes
Thema für uns. Wir haben uns immer echte Herausforderungen
gesucht. Wir wollten nicht vor dem Computer hocken und
wie so routinierte Werksarbeiter unsere Songs und Tracks
schreiben. Das war uns einfach zu langweilig. Lieber
hocken wir uns zwischen die Stühle und probieren
irgendwas neues und haben irgendetwas Neues gemacht,
das vielleicht niemanden interessiert, aber auf das
wir stolz sind, statt irgendetwas vorhersehbares abzuliefern,
und alle schreien dann: super, das haben wir erwartet,
und wir haben dann damit Erfolg. Das bringt nichts,
das ist Schwachsinn.
Vier
Jahre liegen zwischen "Appetite For Disctruction"
und "Disconnected". In dieser Zeit habt Ihr
viele Remixe gemacht und getourt. Inwieweit haben diese
Erfahrungen die Arbeit an "Disconnected" geprägt?
Chris:
Die Remixe haben sehr viel Einfluss auf das neue Album
gehabt, weil wir die Möglichkeit hatten, mit viel
Gesang, mit vielen neuen Instrumenten zu arbeiten, die
wir früher nie verwendet hätten. Oder bei
denen wir nie daran dachten, dass so etwas zu unserer
Musik passt. Wir haben gemerkt, dass genau diese Mischung
unsere Musik noch spannender, noch interessanter macht
für uns. Auf jeden Fall die Produktion für
Jay Jay Johannsen: Jay Jay war bei uns im Studio und
hat uns auch viel erklärt über Songs. Das
war eine dicke Lernphase für uns, die vier Jahre.
Das haben wir alles in das neue Album reingestopft.
An
"Disconnected" waren neben Euch auch viele
Gastmusiker beteiligt.
Michael:
Es war irgendwie so ein Konzept, mit ganz vielen Musikern
zusammen zu arbeiten. Wir wollten diese Remix-Idee ein
bisschen weiter führen, bloß halt eben, dass
wir Leute fragen, ob sie mit uns zusammen arbeiten wollen
und nicht umgekehrt. Wir haben insgesamt mit ungefähr
dreißig Musikern gearbeitet an dem Album. Es sind
nicht alle auf dem Album letztendlich zu hören,
weil viele Vokalisten dann irgendwie, ja letztendlich
runter gefallen sind vom Album oder auch MCs. Einer
der Hauptsänger auf dem Album ist eben Enik. Ein
dreiundzwanzigjähriges neues Talent aus München.
Fantastischer Kerl! Das war das Salz in der Disconnected-Suppe.
Das war echt ein großer Glücksgriff für
uns. Wie wir ihn kennengelernt haben, sagt am besten
Chris.
Chris: Enik haben wir kennen gelernt durch einen
Clubpromoter aus München, der mit uns einen monatlichen
Funkstörung-Abend machen wollte. Der kam zu mir,
wir sind ins Gespräch gekommen über das neue
Album, und genau zu der Zeit hatten wir Probleme mit
Sängern. Eine Sängerin war weggefallen für
einen Track, wir waren auf der Suche und haben überlegt,
was wir da machen. Und dann sagt eben dieser, G heißt
er, der "Pathos"-Betreiber, ja, er kennt da
jemanden, einen guten Freund, der ist ein super Sänger.
Dann packt er eine CD aus und, ja, war super. Ich habe
ihm gleich das Instrumental mitgegeben, er möge
mal etwas probieren. Drei Tage später kam eine
MP3 mit super Gesang drüber, und für uns war
klar, das wird's. Dann haben wir gleich mal ein paar
Tracks mehr gemacht.
Zu
den Gästen auf "Disconnected": wer ist
Tes?
Michael:
Tes ist ein Weißbrot aus Brooklyn. (lacht) Tes
ist einer dieser neuen New School MCs aus Amerika, die
sehr nach Europa gucken, sehr in der europäischen
Elektronik-Szene drin sind. Also kein Klischee-Hip Hopper.
Tes haben wir kennen gelernt auf unserer letzten Amerika-Tour
im Mai, wo wir zu Open-Mics aufgerufen haben. Wir haben
vor der Tour gesagt, wo immer ein MC ist, der mit uns
auf der Bühne jammen will, soll er einfach auf
die Bühne kommen und wir machen das. Und Tes war
halt der MC in New York. Ist einfach auf die Bühne
gekommen, hat losgerappt, wir haben uns super verstanden
und, ich weiß nicht, zwei, drei Wochen später
hat er uns schon Acappellas geschickt. So kam das zustande.
Das Wichtigste war für uns, mit jedem Musiker,
dass wir uns einfach gut verstehen, dass die Zusammenarbeit
auf eine natürliche Art und Weise zustande kommt.
Und nicht: hier ist ein dicker Scheck, bittet arbeitet
für uns. Sondern, man respektiert sich, man mag
sich, und das war mit Tes definitiv so. Er ist jetzt
auch bei der Tour mit dabei. Wir freuen uns schon drauf.
Lustiger Kerl.
Für
Nils Petter Molvear etwa habt ihr bereits einen Remix
gefertigt. War das der Grund, warum er auf "Disconnected"
ist?
Michael:
Nils Petter Molvaer hat uns fast genötigt, dass
er auf dem Album mit dabei ist (lacht). Nils Petter
Molvaer ist ein großartiger Kerl. Er ist nicht
nur ein großartiger Trompeter, er ist auch ein
super netter Kerl, den wir jetzt auch schon ein paar
Jährchen kennen und den wir immer wieder getroffen
haben. Als wir in Oslo auf Tour waren, ist er auch extra
zur Show gekommen. Als er auf dem Weg nach Österreich
war, hat er extra einen Zwischenstopp bei uns in Rosenheim
gemacht. Ich habe immer noch eine Flasche Champagner
von ihm zuhause, die er da mitgebracht hatte (lacht).
Ein total netter Kerl, ein totaler Freak, der echt Hölle
auf uns steht. Der hat gesagt, ich will unbedingt auf
eurem neuen Album drauf sein. Und wir natürlich,
hey, da kann man nicht nein sagen. Nils Petter Molvaer
ist großartig.
Wie
kamt ihr an Sarah Jay?
Michael:
Sarah Jay ist, ja, man darf gar nicht wirklich sagen,
dass sie von Massive Attack ist. Massive Attack sind
ja mittlerweile nur noch die zwei. Sarah Jay war Gastvokalistin
auf dem "Mezzanine"-Album, hat, ich bin mir
gar nicht sicher, ein oder zwei Nummern gesungen. Auf
jeden Fall, wir haben einen ihrer besten Freunde zufällig
in Paris getroffen, und haben auch eben über Sängerinnen
gesprochen und so. Und er, Hey, komm, meine beste Freundin,
die hat schon für Massive Attack gesungen, probiert
die doch mal aus. Und wir so, hm, warum nicht? Und die
war dann auch super, es hat richtig gepasst. So kam
das zustande. Also auch wieder über so Zufälle.
Chris: Immer schön natürlich, war das
immer so. Es war echt cool.
Michael: Die kleinen Zufälle, man versteht
sich. So soll's auch sein.
Wie
entstand der Kontakt zu Rob Sonic?
Michael:
Letztendlich war es so mit Rob Sonic, dass wir, Chris
hat irgendwann mal eine Platte gekauft, die wir beide
klasse fanden und wo wir dachten, das wäre eigentlich
gar kein schlechter MC für unser Album. Bloß,
wie kommt man an so amerikanische MCs ran? Wir dachten
oft: schwierig. Wobei es gar nicht so schwierig ist,
als Europäer amerikanische MCs zu kriegen, weil
die gerade voll auf Europa stehen, im Moment. Auf jeden
Fall haben wir auf die Sonicsum-Platte geguckt, und
da stand halt fett drauf Ozone-Management, was das Management
von Antipop Consortium ist. Ein Anruf und die Sache
war erledigt. Eine Woche später hatten wir die
Vokals. Das ging super schnell, und Rob Sonic scheint
auch ein mega-netter Kerl zu sein, den wir aber leider
noch nie persönlich getroffen haben. (lacht)
Wie
kam Lou Rhodes von Lamb auf Euer neues Album?
Chris:
Wir hatten einen Remix gemacht für Lamb. Das war
im Endeffekt die Bezahlung (lacht) für den Gesang.
Wir hatten damals das Angebot, Lamb zu remixen. Wir
wollten kein Geld dafür haben, sondern wir haben
gefragt, ob Louise auf unserem nächsten Album singen
möchte. Sie war super begeistert, und das haben
wir dann auch gemacht. Das war echt super.
Insgesamt
also ein sehr freundschaftlicher Rahmen, der Euch und
Eure Gäste verbindet…
Chris:
Auf jeden Fall. Also wir haben nie mit dicken Schecks
gewedelt. Hatten wir auch nicht (Lachen) Michael:
Wie denn? (Lachen) Chris: Das muss auch so sein,
finde ich. Wir beide stehen nicht so drauf, mit dicken
Schecks zu wedeln, Hauptsache, wir haben einen dicken
Namen. Da haben wir, ehrlich gesagt, voll drauf geschissen,
ob das jetzt dicke Namen sind oder nicht. Hauptsache,
die Tracks werden letztendlich gut. Lou hat zwar einen
Namen, aber …
Michael: … eine coole Person.
Chris: Ja, super. Auf jeden Fall.
Wie
sah die Arbeit mit Euren Gästen konkret aus: waren
sie im Studio oder wurden Soundfiles verschickt, weil
Ihr im Studio lieber ungestört arbeitet?
Michael:
(lacht) Du sagst es ganz genau. Das war wirklich
so. Wir sind irgendwie so ein eingespieltes Team, wir
zwei. Irgendwie ist eine dritte, vierte Person bei uns
im Studio ist fast wie ein Störfaktor. Das ist
nicht negativ gemeint, wir verstehen uns mit allen super,
das ist klasse. Aber im Studio werden wir echt so ein
bisschen zu Nerds, zu Oberperfektionisten. Das geht
nicht, wenn da noch einer dabei ist und acht Stunden
mit ansehen muss, wie wir einen zweisekündigen
Break machen. Das würde kein Mensch aushalten.
Chris: Die Art, wie wir produzieren, ist eben
ein ganz andere. Da kann man nicht sagen, dass wir alles
gleichzeitig machen, dass wir am Computer sitzen, und
dann wird der Gesang aufgenommen und das wird dann alles
in einem gemacht. Es wird immer so Stück für
Stück gemacht. Da macht es keinen Sinn, wenn viele
Leute im Studio sind, weil wir im Endeffekt nur die
Spuren haben, auf CD oder wo auch immer und dann dran
arbeiten. Und das ist immer so eine ewige Arbeit, und
ich glaube, da würde jeder einschlafen.
Michael: Deswegen müssen wir auch die Leute
nicht unbedingt, ja, wir kennen die meisten ja vom Album,
bis auf Sarah Jay und Rob Sonic kennen wir alle persönlich.
Telefoniert hat man natürlich mal, aber man hat
sich nicht persönlich getroffen. Das ist ja auch
nicht unbedingt nötig. Musik kann ja auch für
sich selber sprechen. Man muss ja nicht die Person dahinter
kennen. Nicht unbedingt. Vom Telefon merkt man, man
versteht sich, und dann passt alles. So muss es sein.
Wenn irgendeiner ein arrogantes Arschloch wäre,
und ich merk das am Telefon, dann könnt ich nicht
zusammen arbeiten, das geht nicht. Und sonst haben wir
ja alle gekannt und es war ganz cool. Die mussten aber
nicht zwangsläufig im Studio sein.
Chris: So Leute wie Enik zum Beispiel, der hat
es auch lieber, wenn er alleine im Studio ist und sich
seine Gedanken macht, seine Gesangsaufnahmen in Ruhe
machen kann. Da wollten wir auch nicht stören.
Da haben wir uns auch zurückgehalten und er hat
uns dann die Files geschickt. Wenn irgendetwas zu verbessern
war, haben wir das gesagt, wir haben drüber geredet
und dann hat er es halt eben verbessert. Aber er war
halt auch immer für sich alleine.
Klingt,
als wärt Ihr beiden ein eingespieltes Team. Was
macht die besondere "Chemie" zwischen Euch
aus?
Michael:
Funkstörung existiert jetzt eigentlich schon seit
dreizehn Jahren oder so, würde ich sagen. Wir kennen
uns schon so lange und wir machen schon so lange Musik.
Ich glaub, der Name Funkstörung kam erst '95 wirklich
an die Öffentlichkeit, oder so. Wir kennen uns
schon so lange, wir sind wie ein altes Ehepaar (lacht),
das kannste Dir nicht vorstellen. Das ist furchtbar
(lacht), nein, aber, wir sagen immer, es ist wie Yin
und Yang. Ich bin so ein bisschen der Kopf von Funkstörung
und Chris ist der Bauch. Wo ich halt viel zu viel überlege,
ist Chris manchmal viel zu ungestüm. Und da gleicht
man sich super aus. Und dann hat man eine ganz gute
Mischung, auch aufs Business und eigentliche Arbeiten
bezogen. Mein Part ist oft so, ich häng' am Telefon,
ich mach die ganze Business-Sache, während Chris
Stunden damit verbringt, neue Software auszuprobieren.
Chris ist dann der Frickler, ich bin der Manager, in
dem Moment. Wobei sonst: Funkstörung-Sachen entstehen
immer gemeinsam! Das war uns immer ein ganz wichtiger
Aspekt! Ein Song, wo Funkstörung draufsteht, da
haben wir auch beide dran gearbeitet.
Warum
heißt das Album "Disconnected"?
Michael:
Der Name "Disconnected" kam eigentlich, weil
"disconnected" bringt ganz, ganz viele Bezüge
zu uns, zu unserer Herkunft. Wir leben eben "disconnected"
in Rosenheim. Wir sind da irgendwo isoliert. Wir arbeiten
"disconnected", wir arbeiten wie so eine kleine
Unit für uns selber, also losgelöst von den
anderen Gastmusikern. Wir wollten uns auch ein bisschen
loslösen von unserem bisherigen Arbeiten. Es sollte
eine klare Trennlinie sein, und das sollte der Name
"Disconnected" auch ausdrücken. "Disconnected"
ist auch ein Bezug auf das ganze Design-Projekt, das
wir mit diesem Album auch gestartet haben, das wir "Isolation-Remixes"
genannt haben, weil "isolated" - "disconnected",
da ist auch so ein Bezug da. Was noch? "Disconnected",
hat ein Interviewer mal gesagt, das klingt ein bisschen
wie "unplugged". Also so auch dieses Akustik-Instrument
..
Chris: … "disconnected" von dem Strom
(lacht).
Michael: Also, da gibt es so viele Bezüge. Viele
haben uns auch gesagt, "Disconnected" ist
eigentlich ein relativer flacher Titel. Das könnte
auch der Albumtitel von neuen Kylie Minogue-Album sein
oder so. Aber genau das finden wir spannend, dass das
so viele Interpretationsmöglichkeiten bietet und
so offen ist.
Das
Album-Artwork ist Ergebnis eines Wettbewerbs, den Ihr
ausgerufen hattet. Welche Idee stand dahinter?
Michael:
Letztendlich war diese Cover-Wettbewerbsidee ein bisschen
nur so eine Schnapsidee, die wir mal in Australien hatten,
mit einem australischen Freund. Der hat das aufgebracht,
als er meinte, Hey, was haltet ihr davon, ich stelle
meine Fotos ins Netz und fordere bestimmte Designer
auf, die Fotos zu remixen. Und wir so, Hey, klasse Idee,
das wäre doch eine super Idee für Cover-Artwork.
Gesagt, getan. Wir haben das auf unsere Seite gepackt
und haben irgendwie mit dreißig, vierzig Artworks
gerechnet, weil, Hey, welcher Designer macht sich schon
die Mühe und macht ein Artwork für dich umsonst?
Bis zum heutigen Tage sind jetzt schon fast achthundert
Artworks zurückgekommen. Also völlig wahnsinnig.
(lacht) Design ist ein verdammt wichtiger Punkt für
uns, wo wir wirklich voll eingebunden werden wollen.
Das überlassen wir nicht irgendwem. Das ist eine
verdammt wichtige Sache. In die Albumproduktion lassen
wir uns nicht reinreden, weder vom Label noch von anderen
Leuten. Das sind nur wir zwei. Bei Design nehmen wir
gerne Einflüsse auf. Wobei wir auch immer das letzte
Wort haben müssen. Da sind wir echt arrogant …
Chris: … Spießer (lachen).
Wie
fiel die Entscheidung für das endgültige Cover?
Oder erscheint die CD mit verschiedenen Covern?
Michael:
Die ganz ursprüngliche Idee war, die CD zusammen
mit einem Buch zu releasen, und im Buch so um die einhundert
besten Artworks zu releasen, so dass die CD fast nur
eine Beilage zum Buch ist. Das war dann leider aus logistischen,
technischen und finanziellen Gründen nicht möglich.
Deswegen wird das Buch im Herbst ein extra Release werden,
zusammen mit einer DVD, wo wir einen Video zu jedem
Song machen werden, oder machen lassen. (lacht) Wir
machen da gar nichts. (Lachen) Wir haben uns jetzt entschlossen
zu einer Art Plan B, dass wir an Stelle eines Booklets
Karten machen lassen, für fast jeden Song auf dem
Album, und jede Karte ist von einem individuellen Designer
gemacht. Soll ein bisschen zum jeweiligen Song passen.
Ja, und ich glaube, es ist sehr, sehr schön geworden.
Sehr, sehr divers, genauso wie unsere Musik. Es bildet
aber trotzdem eine sehr, sehr schöne Einheit. Genauso
wie wir diesmal viele Gastmusiker auf dem Album hatten,
hatten wir auch viele Gastdesigner. Es gibt einen main
Designer, namens Inconstruction, aus Frankreich. Die
ganze Albumidee haben wir musikalisch wie auch designtechnisch
umgesetzt, und das fand ich sehr schön. Es gab
nicht nur einen Designer, der das gemacht hat, sondern
eben ganz viele, irgendwie zusammen gearbeitet haben,
eine Idee verfolgt haben. Das Design ist jetzt zwar
ein bisschen divers geworden, aber trotzdem hat es eine
ganz homogene Linie.
Wie
lange habt Ihr insgesamt an "Disconnected"
gearbeitet?
Michael:
Ziemlich genau eineinhalb Jahre haben wir am Album intensiv
gearbeitet. Wobei, ein Jahr davon war richtig intensiv,
also wirklich jeden Tag sieben, acht Stunden im Studio,
volle Kanone. So viel Arbeit haben wir noch nie in irgendetwas
gesteckt. Das Design-Ding lief über ein Jahr, Oktober
2002 ging das los. Allein die Coverauswahl hat uns ewig
viel Arbeit gekostet. Allein das Mixing und Mastering
war diesmal ein Heidenstück Arbeit. Das hat eher
Chris gemacht, ich hab mich um die Designkoordination
[gekümmert]
Chris: Zum Schluss mussten wir Arbeit aufteilen,
damit wir das alles auf die Reihe kriegen und die Deadline
einhalten können.
Michael: Das war echt heftig zum Schluss, aber es hat
sich gelohnt. Mei, es war wie in Endspurt halt. Gehört
dazu.
Habt
ihr während dieser Zeit auch Remixaufträge
erledigt? Gibt es in dieser Hinsicht Pläne für
die Zukunft?
Michael:
Das letzte, was wir noch gemacht haben, war ein Beanfield-Remix,
vom neuen Album. Natürlich gibt es wieder Anfragen,
aber bisher haben wir die immer so nach hinten schieben
müssen. Das ist eh schon verrückt, dass die
Leute teilweise jetzt schon, ach es gibt welche, die
seit zwei Jahren auf einen Funkstörung-Remix warten
und die immer wieder, alle zwei Monate schreiben, na,
wie schaut es jetzt aus? Habt ihr jetzt Zeit? Und ich
muss immer wieder schreiben, oh, nee, jetzt immer noch
nicht, immer weniger Zeit.
Chris: Keiner konnte wissen, dass wir so lange
für das Album brauchen. (Lachen)
Michael: Wir immer so: wir sind spätestens
im Januar 2003 sind wir fertig mit dem Album und danach
können wir den Remix machen. Kein Thema.
Chris: Das war nämlich die erste Deadline,
Januar 2003.
Michael: Oh Gott, das ist furchtbar. Aber bisher
ist nichts Konkretes geplant. Schauen wir mal. Unser
Schedule ist jetzt voll bis Ende 2004. Wir wissen schon
mit Touren, mit der DVD, mit dem Buch, noch Singles.
Wir arbeiten jetzt schon an den nächsten zwei Singles
vom Album. Puh, die Tour wird viel, viel Zeit in Anspruch
nehmen. Das sind wir zwei Monate komplett unterwegs.
Wir haben viel zu tun, aber es ist auch gut so.
Chris: Und das ist gut so (Lachen).
Wie
sehen Eure Tourpläne zu "Disconnected"
aus?
Michael:
Deutschland, Österreich, Schweiz, das wird alles
im Mai passieren.
Chris: Genau, ab sechstem Mai, glaube ich, fängt
die Tour an, oder?
Michael: Ja, ich glaub sechster Mai, vielleicht
sogar vierter Mai. Das ist jetzt noch alles grad in
der Mache. Wobei die Deutschland-, Österreich-,
Schweiz-Dates, die stehen. Wir haben drei Städte
in der Schweiz, vier Städte in Österreich,
und ich glaube bisher sechs Städte in Deutschland.
Gucken wir mal. Die Tour entwickelt sich noch. Wird
heftig werden, wird gut werden, wir werden richtig mit
Rock'n'Roll Tourbus auf Tour gehen, mit Enik als Sänger,
mit Tes als MC, mit einem Bassisten noch, mit einem
Visual-Artist noch, bei manchen Shows noch mit einem
Beatboxer, mit Mark Boombastic, ähm, der übrigens
noch gar nichts von seinem Glück weiß (Lachen).
Nein, aber wir planen das wie so eine richtig schöne
Bandshow aufzuziehen. Weil, das Album "Disconnected",
wie sollen wir das nur mit zwei Powerbooks präsentieren?
Das geht nicht. Wir können aber auch nicht alle
Musiker mitnehmen. Das ist auch Schwachsinn. Da muss
man halt irgend so eine Art Kompromiss finden. Wir wollen
…
Chris: … das Wichtigste vom Album praktisch auf
der Bühne bringen.
Michael: Genau, wir wollen auch nicht unsere
Vergangenheit verleugnen. Wir sind eine elektronische
Band, wir sind eine Instrumental-Band. Das ist unsere
Alte Schule. Und das werden wir genauso auf der Bühne
präsentieren. Es gibt genauso Sets von uns, nur
mit unseren zwei Powerbooks, und dann kommt, was weiß
ich, nach einer halben Stunde mal ein Sänger auf
die Bühne und singt dann mit uns. Es soll eine
relativ lange Show werden …
Chris: … und Tes und Enik machen dann auch noch
eine kurze Show, so eine Solo-Show. Das wird auch noch
ganz nett werden.
Michael: Mit Sicherheit. Wir werden auch in Zukunft,
wir können ja nicht immer mit Band auf Tour gehen,
also werden wir ganz klar differenzieren müssen
in Zukunft zwischen einer Power-Book-Show, nur wir zwei
mit Power-Books, Instrumental-Sets, relativ tanzbar,
also relativ hip hoppig und einer Band-Show, wo wir
wirklich Songs präsentieren. Es wird in Zukunft
zwei verschiedene Funkstörung-Shows geben. Worauf
ich mich eigentlich schon freue. Das wird cool werden.
Interview:
Stephan Oettel (02/2004)
www.k7.com
www.funkstorung.com